Mechthild Uhle: Gezähmte Träume

Romanbiografie über Rebecca Friedländer

 

Paperback | 430 Seiten | ISBN 978-3-89741-421-1

26,00 €

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Inhalt

Rebecca ist jung, hübsch, gebildet und entstammt der wohlhabenden jüdischen Oberschicht Berlins. Anfang des 19. Jahrhunderts lässt sie alle religiösen Schranken hinter sich und verschreibt sich einem selbstbestimmten Leben. Sie entflieht einer arrangierten Ehe, erprobt in Berliner Salons die Gleichheit von Männern und Frauen. Und wagt den Sprung in eine Berufstätigkeit als Schriftstellerin. Auf der anderen Seite aber träumt auch sie vom sozialen Aufstieg durch Heirat in den Adel und passt sich den Konventionen der Wiener Finanzelite in der Restaurationszeit an …

Knapp drei Jahre konnte Rebecca Friedländer, die als Salonière und Autorin in die Geschichte einging, dereinst Freiheitsluft schnuppern. Dann schloss sich das erstmals auch für die winzige Schicht gebildeter Frauen weit geöffnete Fenster zur Weltgesellschaft, für Aufstiegschancen und alternative Lebensentwürfe mit Wucht. Antisemitismus breitete sich aus.

Die Schauplätze dieser anschaulichen Romanbiografie sind vor allem Berlin und Wien; berühmte Frauen und Männer aus Kultur und Wirtschaft kreuzen Rebeccas Weg: Da ist Rahel Varnhagen (eine enge Freundin, bis sich die beiden Frauen zerstreiten), da sind die Brüder Humboldt, Fichte, Achim von Arnim, die Familien Mendelssohn Bartholdy und Rothschild.

 

Mechthild Uhles kluge, einfühlsame Erzählweise erschließt die Lebensgeschichte der rebellisch-ehrgeizigen und doch auch angepassten Salonière im Kontext jener spannenden Umbruchszeit um 1800, die neue Horizonte eröffnete. Rebecca Friedländers Einstellungen, Gedanken und Gefühle werden dabei über historische Grenzen hinweg nachvollziehbar.

Leseprobe

Nichts zieht mich hin zu ihm, kein Sehnen, keine freudige Erwartung. Darf ich nicht mehr erwarten? Muss ich mich bescheiden? Endlos? Mich packt die Panik, wenn ich an den Hochzeitstag denke. Ist das normal? Mein Kopf, mein Kopf zerspringt. Doktor Böhm muss kommen. Er wird mir helfen. Elende Melancholie!«

Rebecca nickte, als sie das in ihrem Tagebuch las. Ja, ihr Körper hatte es ihr mitgeteilt: Moses und sie waren nicht füreinander geschaffen gewesen und sie hatte es von Anfang an gewusst, es sich aber nicht eingestehen wollen.

Blendung, Verblendung, Ehrgeiz, eine Friedländerin zu werden, die Verbeugung vor dem Familienarrangement, die Euphorie der Hochzeitsvorbereitung, die Eitelkeit, eine gesellschaftliche Rolle einzunehmen, alles das hatte sie die Warnzeichen nicht ernst nehmen lassen. Ihr Tagebuch zeigte es ihr. Peinlich, so mit dem früheren Ich konfrontiert zu werden. Allein mit sich gab es für Rebecca keine Ausflüchte mehr. Sie schämte sich.

Aber war sie nicht einfach nur zu jung gewesen? Neunzehn Jahre alt – ohne Welterfahrungen, eingesperrt in das Haus und die Phantasiewelt der Bücher? Ausrede, schäm dich, sagte Rebecca zu sich selbst, du warst alt genug für die Ehe, Tante Henriette Herz hat immerhin schon mit fünfzehn geheiratet. Du hattest die Bücher, die dir die Worte für innere Ahndungen, Sehnsüchte und eine echte Gefühlswelt erschlossen haben. Du kanntest das!

Rebecca richtete sich im Halbdunkel des Zimmers kerzengerade auf. Nein, nein, nein, antwortete sie ihrem widerborstigen Schattenego, du hast Unrecht! Du wirst mich mit deinen Vorwürfen nicht niedermachen. Ich habe einen Fehler gemacht. Sicher. Jetzt habe ich den Fehler korrigiert. Verschachert wurde ich wie viele andere meines Alters. Aber jetzt, jetzt habe ich doch bewiesen, dass ich Stärke habe! Nicht gebeugt habe ich mich der falschen Ehe. Ich bin gegangen.

Mut habe ich bewiesen, Stärke!

Allen werde ich es zeigen – ich, Rebecca Friedländer.


Autor_in

Mechthild Uhle